Bringt eh alles nichts
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08. Juli 2010, 21:50 Erwachen
von: Sari
Ethische Ideale fallen schnell dem Realismus zum Opfer, sobald eine Person den Versuch unternimmt, aus dem Spiel auszutreten. Seit 2.500 Jahren Geschichte ist sich die Menschheit in einem einig - und hat bis heute keinen besseren Weg aus diesem Dilemma gefunden - als die nüchterne Erkenntnis, dass es für einen Freien, zehn andere (unfreie) Menschen braucht, die seine Aufgaben erledigen.Im Klartext:
Sofern wir unter Freiheit verstehen, ungezwungen zur Arbeit gehen zu dürfen, keine tägliche (bewusste!) Gewalt und Zwang zu erfahren, zu kaufen wonach uns die spontane Lust treibt, einen Computer zu besitzen oder gar ein Hobby auszuüben (der Zugang zu angemessener Bildung ist nicht in dieser Definition inbegriffen), befinden wir uns bereits unter den 5%, die ihren westlichen, normalen, Alltag denen verdanken, die - unwissend um ein anderes Leben - auf einen westlichen Standard verzichten.
Der feine Unterschied, den politische Systeme durch die Geschichte gelernt haben: Früher lebten die Menschen in Sklaverei und wussten davon. Heute leben sie in Sklaverei und wissen es nicht. Die Entfremdung ist neu im Spiel.
Als versklavt gilt ein Mensch, sobald er/sie seine/ihre Lebenszeit in die Dienste eines anderen, von seiner Arbeitskraft profitierenden, stellt und dessen Lebensmöglichkeiten es nicht zulassen, seine Lebenszeit für sein eigenes Leben aufzuwenden. Wir brauchen dazu nicht nach China oder Vietnam zu blicken: 95% Der Österreicher (Statistik Austria) befinden sich in solchen Abhängigkeitsverhältnisen und verfügen nicht über sich selbst. In unseren unmittelbaren Nachbarländern sieht es noch schlimmer aus.
Erzähl das mal Jemandem: In wirklichkeit seid ihr unfrei und dermaßen von euch selbst entfremdet, dass ihr es nicht bemerkt! Alles was notwendig ist, um euch in diesem Zustand der Trugbilder zu halten, ist Fernsehen, Fußball und Alkohol! Die Menschen werden dich für so viel Ehrlichkeit hassen und sich felsenfest auf ihre Überzeugung, frei zu sein, berufen.
In wirklichkeit haben wir die Aufklärung bis heute nicht erlebt; ist die selbstverschuldete Unmündigkeit größer denn je - indem man/n sich keine Hosen kauft, werden die Verhältnise nicht besser. Aufklärung wird es nie für alle Menschen geben. Im besten Fall aber für Viele, denn selbst der Philosoph braucht jemanden, der für ihn kocht.
Die Philosophen (viele, aber nicht alle) sagen dazu: So ist es, nur so funktioniert das Spiel. Das aktuelle Spiel ist immernoch das Beste, das wir je zustande gebacht haben.
Das einzige, was wir verändern können ist die Summe aus dem Kleinen, in unserer unmittelbaren Umgebung, das Verhältnis zu unseren Mitmenschen und unseren Tieren im Alltag, sowie unser Verhältnis zur Natur. Auch bekannt unter Solidarität.
Niemals aber lässt sich das verändern, worüber der Mensch keine Gewalt besitzt und das ist alles (!) das sich außerhalb von ihm selbst befindet.
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09. Juli 2010, 16:41 Schritt für Schritt zum Ethik-Glück
von: CwB, www.andersleben.at
Weil sich Menschen seit 2.500 Jahren einig darüber sind, sollen wir aufhören, über bessere Lösungen nachzudenken und neue (Aus-)Wege zu finden, uns einfach damit abfinden?
Ich kann mich nicht zu den erwähnten 5% zählen. Zur Arbeit gehe ich fürs Überleben. Besser wäre es aber, während dieser Zeit ein eigenes Feld zu bestellen. Doch für solche Veränderungen braucht man Zeit. Ich schaue kaum fern, interessiere mich nicht für Fußball und trinke keinen Alkohol. Trotzdem erliege ich viel zu oft Trugbildern. Auch bin ich kein Freund des "normalen" westlichen Alltags - und ich möchte aus diesem ausbrechen. Wegen mir - und wegen meinen "Sklaven".
Der unbewusste Zwang, dem wir unterliegen, bestimmt oft unsere (Kauf-)Entscheidungen. Darauf basiert Werbung. Für die Zukunft nehme ich mir vor, die Kaufentscheidungen nicht im Geschäft zu fällen. Diese Hosen lehne ich aus ethischen Gründen ab - eine Erkenntnis, die mir hoffentlich beim nächsten Einkauf helfen wird.
Dass meine einsame Entscheidung an den Verhältnissen nichts ändert, ist mir klar. Wenn aber viele Menschen dieselbe Entscheidung treffen, dann haben sie die Kraft, etwas zu verändern! Es gibt Alternativen zu diesen Kleidungsstücken - und wenn die Verkaufszahlen der "unethischen Produkte" sinken, werden die Konzerne gezwungen umzudenken. Nur kann ich andere Menschen nicht dazu zwingen, ohne zu dem zu werden, was ich hier anklage!
Und noch etwas ist mir klar: wir können nichts verändern, ohne unsere liebgewonnenen Annehmlichkeiten aufzugeben. Es wird nicht leicht, aber wollen wir ein wirklich reines - und nicht nur ein ruhiggestelltes - Gewissen, haben wir keine andere Wahl!
Dass sich die Arbeiter in China - vor allem die Erwachsenen - ihrer Situation nicht im Klaren sind, wage ich zu bezweifeln. Laut "We make money" sind sich die Afrikaner darüber sehr wohl im Klaren. Und sollten sie es doch nicht wissen: vielleicht würde es das System zum Einsturz bringen, wenn wir sie darüber aufklären.
Der vorletzte Absatz ist es, worum es auch mir geht: Wir können nur wenig bewirken - nur auf unserere Umgebung beschränktes. Nur dort, wo unser Einfluss groß genug ist. Hervorragendes Beispiel: der Hosenkauf!
Mein Fazit: Rome was not built in a day. Veränderungen passieren schrittweise - oder man übernimmt sich.
Stimmt. Ich kann keine Berge versetzen - und auch nicht der Sklaverei auf Erden ein Ende bereiten. Soll ich deshalb von all meinen diesbezüglichen Bemühungen ablassen?
"Du kaufst Bio? Bringt doch nichts. Eh alles Lug und Betrug."
"Fair Trade? Glaubst du, du veränderst die Welt, indem du Fair Trade kaufst?"
Zumindest handle ich nach meinen Idealen und schwimme nicht bloß mit dem Strom!
Und ich habe solche Aussagen schon ziemlich satt!
Andererseits muss ich gestehen: heute habe ich mir Shorts aus China und Vietnam gekauft. Die ethische Einsicht kam leider erst auf dem Nachhauseweg... Hätte ich die Welt gerettet, wenn ich keine Billig-Produkte aus China gekauft hätte? Oder sie zumindest geändert? Die ganze sicher nicht - aber vielleicht einen kleinen Teil - um ein kleines Stück. Und darauf kommt es an.
Und wenn es sich gar nicht um Sklavenarbeit handelt?
Ich rechne es einmal durch: 30 Euro pro Hose... wenn ich nur die Arbeitszeit auf Basis des Stundenlohns rechne, den mein Arbeitgeben für meine Dienste an die Kunden verrechnet, dann wären das 19 Minuten - exklusive Rohstoffe, Transport und Handel. Und die drei letztgenannten machen wahrscheinlich den größeren Anteil der 30 Euro aus. Aja, habe ich vergessen: das Leben in China ist ja günstiger als hier bei uns. Denen brauchen wir kaum was zu bezahlen - lucky us! Sonst kämen sie ja aus dem Sklaventum heraus und importierten Produkte würden mehr kosten als die heimischen!
Apropos nachgerechnet. Auf einem Schokoladenpapier von Zotter habe ich folgende Angaben gefunden:
Von der anderen Seite aufgerollt heißt das: der 100g FAIRTRADE Schokoriegel darf 1,2 Eurocent - wenn er obendrein noch Bio ist, insgesamt 3,2 Eurocent - mehr kosten als der konventionelle.1
Kleine Ergänzung: Bei dieser Berechnung fehlen selbstverständlich unbekannter Weise die Mehrkosten für etwaige andere Bio-Zutaten!