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03. Juni 2009, 19:10

Mein Vormund, der Staat

Dass wir unsere Entscheidungen bewusst treffen, davon sind wir oft überzeugt. Manchesmal mögen wir im Nachhinein zwar daran zweifeln, bei Sinnen gewesen zu sein, als wir eine Entscheidung getroffen haben - und es gibt auch die Theorie, dass nicht unser bewusstes Ich, sondern eine außerbewusste Instanz unsere Entscheidungen trifft. Diese werden dann von unserem Ich lediglich gerechtfertigt. Im Großen und Ganzen kommt die Entscheidung aber von uns - egal von welchem Teil. Diese Entscheidungsfreiheit muss uns auch der Staat, in dem wir leben, zugestehen - oder uns zumindest Glauben machen, dass diese Freiheit besteht, um keinen Aufstand zu provozieren.

Deshalb verwundert es mich, dass es seit kurzem ein Glühbirnenverbot in der Europäischen Union gibt. Schon im Juni 2008 berichtete die WELT ONLINE darüber und jetzt ist es so weit, jetzt wird es umgesetzt.

Vor kurzem las dann ich in der Zeit1, dass in den USA eine Zuckersteuer angedacht wird. Zucker gehört, obwohl es nicht lebensnotwendig ist, zu den Grundnahrungsmitteln - eine beachtliche marketingtechnische Leistung, wie der Autor anmerkte.

Dass der Staat bei den Vorschriften lediglich das Wohl der Bürger im Sinn hatte, mag durchaus die Wahrheit berühren. Für die Umwelt und auf lange Sicht gesehen auch für die eigene Brieftasche sind Energiesparlampen ohne Frage die bessere Wahl. Und der Zeit-Artikel sieht im Zucker wahrscheinlich auch nicht ganz zu Unrecht einen der Gründe für die überhand nehmenede Fettleibigkeit in unserer Gesellschaft.

Die Zusatzeinnahmen durch die Steuer kommt der maroden Staatskasse aber sicher nicht ungelegen und man spekuliert auch, dass sich die Ausgaben für Krankenstände reduzieren werden, wenn sich die Bevölkerung gesünder ernährt. Dass Zucker aber in beinahe jedem Nahrungsmittel vorkommt und diese dadurch teuerer werden, wird sicher nicht dazugesagt. Und dass diejenigen, die mit ihrem Gehalt vor der Einführung gerade so zurecht gekommen sind, dadurch vielleicht nicht mehr zurechtkommen, wird wohl auch verschwiegen.

Ich bin skeptisch, ob ein Verbot bzw. eine Steuer die beste Lösung für diese Probleme darstellt. Alternativ könnte man ein Bewusstsein für die - sowohl individuellen, als auch kollektiven - Vor- und Nachteile schaffen, wodurch die Bevölkerung in der Lage wäre, aufgrund einer fundierten Basis ihre Entscheidungen zu treffen. Die Nachfrage würde den Markt sodann dazu bewegen, von herkömmlichen Glühbirnen abzulassen. Eine weitere Folge wäre selbstverständlich auch ein denkender Bürger. Dass es mit einem solchen Bewusstsein - genauso wie mit Eigenverantwortung und einem denkenden Bürger - nicht weit her ist, sieht man am Beitrag "Mehrheit der Österreicher weiß wenig über das EU-Parlament". Viele Menschen gehen heute davon aus, dass sie die Informationen, die sie benötigen, vorgekaut zur Verfügung gestellt bekommen, damit sie diese einfach und unreflektiert konsumieren können. Erschreckender Weise scheint dieses Phänomen auch bei Akademikern verbreitet, was meiner Meinung nach nicht gerade für die Qualität der Ausbildung an Österreichs Universitäten spricht.

Wenn ich zuwenig Informationen habe, muss ich mich informieren. Dieses Bestreben geht von einem selbst aus. Man sollte mit Bedacht seine Quellen wählen und dabei nicht nur auf eine setzten. Also sollte man sich auch fragen, wie die Befragung, auf die ich mich berufe, zustande gekommen ist. Wurden die Antworten mittels Suggestivfragen beeinflusst?

Wenn ich nun die beiden oberen Maßnahmen, das Glühbinenverbot und die Zuckersteuer, mit dem Beitrag in Verbindung bringe, dann stellt sich mir die Frage, ob diese vorgeschriebenen Problemlösungen der Grund für die Hilflosigkeit des Bürgers sind - oder ob sie eine Folge der Hilflosigkeit sind. Womit wir bei der Henne/Ei-Problematik angelangt wären ;-)

Diese werden wir hier nicht zu klären im Stande sein, aber auf Informationen zum Europäischen Parlament möchte ich noch verweisen. Diese gibt es nämlich auf deren Website - zwar vielleicht keine objektiven Informationen, aber schon mal eine erste Anlaufstelle für Informationen *G*

Noch eine kleine Anmerkung am Rande: Heute habe ich in der Fernsehsendung "Heute in Österreich" erfahren, dass das gesamte Parlament 12mal im Jahr nach Straßburg fährt, um abzustimmen - nur weil Frankreich das so will. Das bedeutet, dass jedes Jahr 785 Europaabgeordnete 12 mal pendeln. Das sind also 18840 * 430 km = 8 101 200 km im Jahr! Ich sehe Potential für Umweltschutz ;-)

Quelle:
1: Bahnsen, U.: "Weißes Gift", in: DIE ZEIT Nr.22, 20. Mai 2009, S.33

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Kommentare

14. Juni 2009, 15:50 und das Spiel

von: Sari

An das Thema Bevormundung und höhere Instanzen möchte ich anknüpfen:

In der Philosophie, wie der Theologie und der Psychologie, gibt es die Auffassung des Alltags-Lebens, des Er-Lebens des Menschen unter dem Begriff des Spiels. Demnach nimmt uns - ob wir wollen oder nicht - eine außerbewusste Instanz die Schwere des Seins ab. (Die Handlung die wir begehen ist demnach immer als spielerisch zu sehen). Das klingt nicht nur zynisch, sondern ist es auch. Wie ich neulich in einer Vorlesung erklärt bekam, sei der Mensch nur dort Mensch (!) wo er Spielt. (So hat Frau Prof. Dr. Kern Andrea. Friedrich Schiller zitiert).

Meine Auffassung von Miteinander, wie der Welt - ohne politische Andeutungen machen zu wollen - kollidiert mit dieser sehr häufigen Ansicht der Philosophen, wie der Psychologen leider sehr. Meine These lautet: Der Mensch hat zwei Möglichkeiten sein Leben zu er-leben:
1. Im Rahmen eines ästhetischen Ballspiels, dass der Person die Schwere des Seins, der Verantwortung abnimmt, sie unterhält und entlastet, als ein Wesen dass bestimmt wird oder
2. als Person, die Entscheidungen fällt und sich als Verantwortungsbeladenes Wesen unter anderen wahrnimmt.

Bei ersterem Beispiel handelt es sich jedenfalls um keinen freien Menschen mehr; auch wenn gerade diese erzürnt meinen, frei zu sein, sobald man ihnen das Gegenteil beweist. Im zweiten Beispiel nimmt die Person als aktiv handelnde am Leben teil; sie erlebt, erleidet, erfreut das Leben.

Ein zynischer Exkurs in das Land des Ästheten: Erkläre einem Menschen, der in den USA sein angespartes für seine Altersversicherung - und damit seine Existenzgrundlage für die Pension - aufgrund eines Zahlen-Spiels von machtgierigen Subjekten, verloren hat, es sei ein Spiel der Ästhetik, dass es soweit gekommen ist. Oder noch besser: Erkläre einer Mutter, dessen Kind vor ihren Augen erschossen wird, sie erlebe gerade eine Ästhetische Erfahrung.

Der Imperativ Immanuel Kants des „sollen“ ist meiner Meinung nach lange überholt. Die Forderung an den Menschen „du sollst deinen Nächsten behandeln, wie du selbst behandelt werden willst“ muss in eine Verpflichtung umgewandelt werden, sofern sich die Vernunft des Menschen – wie es manche Philosophen sehen – tatsächlich universal verhält.

Projektive Entscheidungsfreiheit unter dem Etikett des Spiels. Das Leben ist kein Schachspiel; hier enden der Metapher- und der Kunst ihre Grenzen.

Kommentare

14. Juni 2009, 17:52 Das Zitat zum Sonntag

von: CwB, www.andersleben.at

Jaja, die Ästhetik. Bitte nicht zu vergessen, dass es mehrere Bedeutungen des Wortes gibt, die - wie ich finde - gleichberechtigt nebeneinander stehen. ;-)

Und mit einem schönen Zitat aus dem Buch "Foucault - Der Philosoph als Samurai" möchte ich an diesem Sonntag Nachmittag zum Nachdenken einladen:

Man müsse ebenfalls zugeben, dass der Klassenunterschied und die Unterdrückung eine Konstante in der Geschichte seien, nicht aber der Klassenkampf: Nur allzu oft hätten die Unterdrückten ihre Unterdrückung nicht bemerkt und den Kampf nicht aufgenommen. Veyne, Paul: Foucault. Der Philosoph als Samurai. Reclam 2009, S. 123