Privatsache Kalorien

von: CwB

Kalorienangaben auf Verpackungen zeigen nur grob, wie viel Energie wir vom Lebensmittel darin erwarten können. Solche Werte setzen nämlich voraus, dass jede Person aus derselben Nahrungssorte und -menge dieselbe Energie bezieht. Nun ist aber jede Person einzigartig und hat einen ebenso einzigartigen Stoffwechsel.

Genauso einzigartig sind auch die Lebensmittel, die wir essen. Pflanzenkost mit weichen Zellwänden liefert uns zum Beispiel viel Energie, da wir leichter an ihren Zellinhalt gelangen. Das Aufschließen von Proteinen benötigt hingegen viel Energie – fast fünfmal so viel wie das Aufschließen von Fett. Zucker und Honig zerlegen wir wieder rasch, weshalb sie fast unverzüglich ins Blut gelangen. Weiters haben sich manche Pflanzen selektionsbedingt an unser Verdauungssystem angepasst: je mehr Samen unversehrt unseren Verdauungstrakt verlassen, desto größer die Chance, dass sie später zur Pflanze werden.

Eine weitere wichtige Rolle spielt die Zubereitung. Nicht umsonst setzen alle menschlichen Kulturen Technologien ein, die die Strukturen der Lebensmittel verändern – z. B. zerreiben, erhitzen oder fermentieren. Diese Verfahren verändern auch die chemischen Eigenschaften, wodurch wir mehr Energie aus derselben Menge eines Lebensmittels erhalten: Proteine denaturieren zum Beispiel beim Erhitzen und werden dadurch besser verdaulich – und Weißbrot hat durch den Verarbeitungsprozess um 10 % mehr Kalorien als Vollkornbrot.

Zählt man Kalorien mithilfe von Standardwerten, ist das Ergebnis also nicht sonderlich genau. Ich denke, ein grobes Gefühl für die Lebensmittel bekommt man aber trotzdem. Diese Daten würde ich aus besagtem Grund aber für mich behalten – nicht dass etwa Versicherungen daraus einen falschen Schluss ziehen, der sich dann in der Prämie niederschlägt … Kalorien sollten Privatsache sein.

Quelle

DUNN, R. (2014) Trügerische Kalorienangaben. Spektrum der Wissenschaft Spezial 2/2014. S. 12-15.